Die Kooperation der Universitäts- und Hochschularchive im mitteldeutschen Universitätsverbund

Allgemein
Dr. Stefan Gerber, Foto BStU Außenstelle Dresden

In der letzten fachthematischen Sitzung zu Beispielen von Best Practice im Archiv setzte sich Dr. Stefan Gerber (Friedrich-Schiller-Universität Jena) mit den Besonderheiten von Hochschularchiven und den Vorteilen der Kooperation im Universitätsverbund auseinander.

Gerber hob die besondere institutionelle Einbindung von Hochschul- und Universitätsarchiven und den damit verbundenen Einfluss auf deren Profil und die hochschulinterne Wahrnehmung hervor. Zum Profil gehöre nicht nur die Erfüllung archivischer Kernaufgaben, sondern darüber hinaus auch die aktive Mitwirkung in Forschung, Lehre und Hochschulmarketing. Wie seit ca. 20 Jahren der Professionalisierungsgrad der Hochschularchive und die ihnen zu Verfügung stehenden Mittel gestiegen sind, stiegen im selben Maß auch spürbar die Erwartungen der Hochschulleitungen an deren Leistungsfähigkeit. Universitäten schätzten besonders die Expertise ihrer Archive auf historischem und geschichtspolitischem Gebiet und hätten erkannt, dass eine lange Tradition durchaus positiven Einfluss auf die Attraktivität eines Hochschulstandortes habe, so Gerber. Im Konkurrenzkampf um Studierende und damit um Mittel werden Archive als Hort der Tradition zunehmend zu einem bedeutenden Faktor im Marketing.

Informationen aus dem Archiv sollen immer schnellstmöglich und zweifelsfrei zur Verfügung stehen und haben bisweilen einen erheblichen Einfluss auf die Hochschulpolitik. Die Hochschulleitungen kennen inzwischen die zum Teil verheerende Wirkung aufgeladener öffentlicher Diskussionen auf die Außendarstellung und damit auch indirekt auf die Finanzierung der Universität durch Haushalt und Drittmittel. Darf einer bestimmten Studentenverbindung die Aula zur Verfügung gestellt werden? Wie soll mit dem Denkmal für Heinrich Hoffmann von Fallersleben oder der Büste von Karl Marx umgegangen werden? Wie verfährt man bei der Aberkennung von akademischen Titeln, die durch rassistisch motivierte Forschung entstanden ist? Wie ist das Verhalten der Hochschulen gegenüber anders denkenden Lehrkräften und Studenten in den beiden deutschen Diktaturen zu bewerten? Die Aufarbeitung dieser „Minenfelder“ wird immer häufiger dem Fingerspitzengefühl der Archivare überlassen. Insbesondere durch den Rückzug der historischen Forschung aus diesen Bereichen geht die Funktion der Hochschularchive zunehmend über die eines Gedächtnisspeichers hinaus. Es wird erwartet, Forschung zusätzlich zu den bestehenden archivischen Kernaufgaben zu bestreiten. Finanzierung und Forschung sind zu Jubiläen der jeweiligen Institution in besonderer Weise miteinander verwoben. Zum einen scheint die wissenschaftliche Betrachtung und Deutung der Vergangenheit obligatorisch für Hochschularchive, zum anderen bieten Jubiläen eine willkommene Chance, erfolgreich dringend benötigte Mittel zu beantragen.

Der Professionalisierungsschub der letzten 20 Jahre bedeutete zum einen die Emanzipation von ungünstigen institutionellen Konstruktionen, wie der Anbindung an Bibliotheken oder historische Institute, es stiegen aber auch die Erwartung an die Hochschularchive und damit verbunden die Verantwortung. Im Zuge der Ausdünnung geschichtswissenschaftlicher und landesgeschichter Studiengänge an den Hochschulen werden konkrete Erwartungen an die Universitätsarchive geknüpft. Insbesondere in den historischen Hilfswissenschaften sollen Archive immer stärker eine lehrende Funktion übernehmen. Der Teilrückzug der Geschichtswissenschaft könne aber nicht vollständig kompensiert werden, so Gerber.

Für die Kooperation zwischen den Universitäten Leipzig, Halle und Jena wurde bereits 1995 der mitteldeutsche Universitätsbund gegründet. Um sich zu spezifischeren Themen wie dem Umgang mit elektronischem Archivgut, Webseitenarchivierung, Präsentation von Erschließungsinformationen, dem Umgang mit Matrikelbüchern und Professorenkatalogen sowie der veränderten Situation bei Prüfungsakten durch den Bologna-Prozess zu verständigen, wurde der mitteldeutsche Archivverbund ins Leben gerufen.
Neben den Gründern des Universitätsbundes sind dort u. a. auch die Technischen Universitäten Dresden, Chemnitz und Magdeburg vertreten. Die Mitgliedschaft ist jedoch nicht auf Hochschulen begrenzt, sondern steht auch Institutionen wie dem Sächsischen Wirtschaftsarchiv, dem Carl Zeiss Archiv Jena und der Leopoldina offen. Gerber beschrieb die Zusammenarbeit über institutionelle Grenzen hinaus als „Win-Win-Situation“ für alle Beteiligten. Als Beispiel für eine solche Zusammenarbeit sei hier eine Ausstellung der Universitäten Leipzig und Jena zur Absenzpromotion von Robert Schumann genannt.

In der anschließenden Diskussion stellte Gerber noch einmal heraus, wie stark die Grenzen zwischen persönlichem und amtlichem Schriftgut insbesondere im Bereich der Wissenschaft verschwimmen würden. Frau Dr. Wettmann, Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs, warf die Frage nach der Archivierung von elektronischen Forschungsdaten auf, vor allem da die Förderung durch die DFG an die öffentliche Zugänglichkeit gekoppelt sei, und interessierte sich für aktuelle Lösungsansätze bei den Hochschularchiven. Während Stephan Luther vom Universitätsarchiv Chemnitz die Problematik von Urheberrechten an Forschungsdaten und archivischer „Zuständigkeit“ bei global vernetzt verlaufender Forschung betonte, verwies Dr. Lienert vom Archiv der TU Dresden auf Grenzen durch die Wissenschaftsfreiheit und die schwierige Struktur (oder deren Fehlen) von Forschungsdaten. Im Rahmen der Exzellenzinitiative werde an der TU Dresden bereits an einem Repositorium für Forschungsdaten gearbeitet und das Archiv sei bereits in die Entscheidungsfindung einbezogen, so Lienert.

Hier finden Sie Informationen zum mitteldeutschen Universitätsbund und zum mitteldeutschen Archivverbund.

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