Umfrage zur Situation der Archive in Sachsen: Archivpädagogik

Allgemein

Welche Funktion haben Archive in einer Zeit, in der gesellschaftliche Diskurse zunehmend von schnelllebigen Meinungen und Emotionen und weniger von gründlich recherchierten Fakten geprägt werden? Unter Nutzung der bei ihnen verwahrten authentischen Schriftzeugnisse vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte können sie einen wichtigen Beitrag zur historischen Bildungsarbeit, speziell auch im Rahmen schulischer Ausbildung, leisten.

Früher war alles besser? Gerade im Beitrittsgebiet können die schriftlichen Zeugnisse dazu beitragen, einen genaueren, differenzierten Blick auf die Vergangenheit zu ermöglichen. Aber: Auch hier wirkt sich die Personalknappheit in den sächsischen Archiven aus. Denn wie steht es um archivpädagogische Angebote? Wie viele Schülerinnen und Schüler errreichen die sächsischen Archive durchschnittlich jährlich durch archivpädagogische Angebote? So lautete unsere Frage und die Antwort ist: Sehr wenige!

 

29 von 75 antwortenden Archiven machen keine entsprechenden Angebote, weitere 14 erreichen nur einzelne Schülerinnen und Schüler oder bis zu einer Schulklasse im Jahr. Nur 24 Archive erreichen mehr als eine Schulklasse im Jahr.

Das gilt übrigens für kleine wie für große Archive. Beim Sächsischen Staatsarchiv wurde zwischen 2008 und 2012 sehr gute archivpädagogische Arbeit durch abgeordnete Lehrer geleistet; Ergebnisse in Form ausgearbeiteter Angebote an Lehrer können heute noch auf dem Sächsischen Bildungsserver unter dem Stichwort „Archiv als außerschulischer Lernort“ angesehen werden. Aber dann wurden die Lehrer durch das Kultusministerium ersatzlos abgezogen – und dieses so wichtige Aufgabengebiet liegt im Sächsischen Staatsarchiv brach.

Annekatrin Schaller, die Vorsitzende des Arbeitskreises Archivpädagogik im VdA, hat in einem Vortrag auf dem Deutschen Archivtag 2016 festgestellt, dass die „Landkarte der Archivpädagogik in Deutschland“ ein Gefälle von West nach Ost ausweist. Auf Landesebene spricht sie auch Sachsen an: „Negativbeispiele […] lieferten Sachsen und Thüringen, wo diese [archivpädagogischen] Stellen auch existierten, aber 2012 bzw. 2014 gestrichen und damit die zarten Pflänzchen der Archivpädagogik an den dortigen Staatsarchiven schon nach wenigen Jahren erstickt wurden – Änderung nicht in Sicht!“.

Die Geschichtslehrpläne für die allgemeinbildenden Schulen im Freistaat Sachsen bieten durchaus Anknüpfungspunkte für die Nutzung von Archiven als „außerschulischen Lernorten“. Aber politisch werden leider andere Akzente gesetzt: Der Entwurf des novellierten Schulgesetzes, Stand Mai 2016, enthielt auch einen Passus, der die „politische und historische Bildung“ als besondere Erziehungs- und Bildungsaufgabe der Schule benannte. In der Schlussfassung des am 11. April 2017 vom Sächsischen Landtag beschlossenen Schulgesetzes ist die „historische Bildung“ allerdings reduziert auf „Ursachen und Gefahren der Ideologie des Nationalsozialismus sowie anderer totalitärer und autoritärer Regime zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken“.

Umso mehr bleibt zu hoffen, dass die sächsischen Archive wieder Anschluss finden an den Stand der Archivpädagogik, wie er durch die Praxisbeispiele des Arbeitskreises Archivpädagogik im VdA oder durch die jüngst stattgefundene Archivpädagogenkonferenz zum „Lernen aus Biographien“ repräsentiert wird.

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