Welche Dienstleistungen Heimat- und Familiengeschichtsforscher in sächsischen Archiven erwarten können

Archivwahrnehmung, Nutzung

Ein Gastbeitrag von Lars Thiele, Dresden

Bei meinem ersten Besuch im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden vor ca. 14 Jahren arbeitete ich mich durch eine Prozessakte eines sogenannten Hexenprozesses des 17. Jahrhunderts. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufregend es für mich damals als Geschichtsstudent war, solch einen alten und verstaubten Aktenband in der Hand zu halten. Wie unbegreiflich es zunächst schien, Dokumente in einer schwer zu deutenden Schrift zu lesen, die vor mehr als 300 Jahren geschrieben worden waren.

Damals brauchte uns allerdings nur der Inhalt der historischen Dokumente und der zeitliche Hintergrund zu interessieren. Um die Formalitäten im Archiv hatte sich unser Dozent gekümmert; ich musste nur meinen Namen nennen und die bestellte Akte entgegennehmen.

Ich besuchte also regelmäßig das Hauptstaatsarchiv, saß im historischen Lesesaal und lernte bei jedem Besuch das Archiv ein Stückchen besser kennen.

So einfach hat es der durchschnittliche Archivnutzer bei seinen ersten Besuchen im Archiv natürlich nicht.

Typische Wege eines Archivnutzers

Schon das Ausfüllen eines Benutzungsantrages kann für einzelne Besucher eine Hürde darstellen. Vielen Heimat- und Familienforschern fällt es scheinbar schwer, sich in die zahlreichen Regeln und Prozesse hinein zu denken.

  • Die erfolgreiche Benutzung der jeweiligen Findbücher sowie elektronischen Findmittel will gelernt sein.
  • Der Ursprung der Archivale, die Geschichte der Überlieferungen und die damit verbundene Zuordnung zum jeweiligen Archivbestand muss verstanden werden.
  • Die richtige Aktensignatur sollte gefunden und anschließend richtig auf dem Bestellformular eingetragen werden.
  • Wenn der Benutzer dann noch die Aushebungszeiten im Archiv beachtet hat, bekommt er nach etwas Wartezeit die Akte zur Einsicht bereitgelegt.

Vorausgesetzt der Forscher ist in der Lage die alten Schreibschriften zu lesen, findet er dann mit etwas Glück die gesuchten Informationen.

Nach meinen eigenen Erfahrungen und Beobachtungen während meiner Besuche in sächsischen Archiven, wird der Archivbenutzer aber selten allein gelassen mit den Herausforderungen. Meist gelingt es den Archivmitarbeitern vor Ort, gute Unterstützung und hilfreiche Anleitung zu geben.

Ein gewisses Grundverständnis von der Arbeit der Archive ist jedoch notwendig, um in Archiven forschen zu können.

In den letzten Jahren hat sich Einiges verändert und inzwischen gibt es für Archivbesucher viele Möglichkeiten, zunehmend selbständig in den Archiven zu forschen und mit den Archivmaterialien zu arbeiten.

Online-Service

Vieles kann inzwischen online vom heimischen Schreibtisch erledigt werden. So kann beispielsweise mit Hilfe der Internetseite des Sächsischen Staatsarchivs ein geplanter Archivbesuch gut vorbereitet werden.

  • Selbständige Recherche in den online verfügbaren Archivbeständen
  • Lesen von Bestandsinformationen und Überlieferungsgeschichten
  • Benutzerantrag ausfüllen/herunterladen
  • Bestellung von Archivalien per Online-Formular
  • Weiterführende Hinweise zu bestimmten Themen und Spezialbeständen des Archivs bzw. seiner Abteilungen in Dresden, Leipzig, Chemnitz und Freiberg
  • Adressen und Telefonnummern für Nachfragen und Terminvereinbarungen
  • sowie Tipps und Hinweise für die Benutzung des Archivs

Noch längst nicht alle sächsischen Archive bieten solch einen Online-Service. Bestandsübersichten der Archive in Listenform (pdf-Datei zum Download) geben zwar einen ersten Einblick in vorhandene Materialien, helfen aber wenig bei der inhaltlichen Orientierung und Vorbereitung eines Archivbesuchs.

Wenn ich für jeden Tag im Archiv Gebühren zu zahlen habe, versuche ich natürlich so viel wie möglich im Vorfeld meines Besuches zu erledigen. Informative und praktische Hilfsmittel sind da zum Beispiel auch Suchportale wie:

Ich weiß, dass sich so manche private Archivnutzer noch mehr Online-Verzeichnisse und online verfügbare Dokumente wünschen. Doch die bisher vorhandenen Angebote sind längst noch nicht bei allen interessierten Forschern bekannt.

Häufig treten Heimat- und Ahnenforscher zuerst mit einer schriftlichen Anfrage an das Archiv heran. Teilweise sind sie dann enttäuscht, nicht die gewünschten Informationen erhalten zu haben. Dies kann verschiedene Ursachen haben.

Die Beantwortung von Anfragen darf vielleicht nicht als ein Rund-Um-Service eines Archivs gesehen werden. Sie bietet aus meiner Sicht vielmehr Hilfestellung bei den eigenen Forschungen. Ich nutze sie zum Beispiel für konkrete Anfragen zu ausgewählten Beständen und zur Vorbereitung meines Archivbesuches.

Wer dabei erwartet, Teile seiner eigenen Forschung abgeben zu können, wird in den meisten Fällen enttäuscht.

Offline-Service

Bei der Arbeit vor Ort in den Archiven bieten sich dem Forscher inzwischen einige Möglichkeiten, die aber leider noch nicht in allen Archiven vorhanden sind.

  • Benutzung von elektronischen Findmitteln
  • digitalisierte Bilder und Dokumente
  • selbständige Anfertigung von Dokumentenkopien (Scannen und Drucken)

Ein geübter Benutzer kann sich mit Hilfe der Suchdatenbank einen Überblick über vorhandene Archivalien verschaffen und so schnell fündig werden. Im günstigsten Fall können die gefundenen historischen Dokumente (mit Ausnahmen) selbständig und kostengünstig am Scanner kopiert/digitalisiert werden oder am Lesegerät ausgedruckt werden.

Für erfahrene Archivnutzer bedeutet dies eine unheimliche Erleichterung der Arbeit. Wenn ich einfache Kopien aus einer Akte benötige, kann ich diese inzwischen ohne lange Wartezeiten und mit relativ geringem Kostenaufwand bekommen.

Für mich, der regelmäßig in Archiven unterwegs ist, sind aber auch andere Gegebenheiten inzwischen wichtig:

  • Frei zugängliche Nachschlagewerke und Fachliteratur
  • Räume für Pausen und Gespräche mit anderen Archivnutzern
  • ausreichend große Schließfächer
  • Getränkeautomaten oder Wasserspender
  • ausreichend Parkmöglichkeiten
  • gute Verkehrsanbindungen

Diese scheinen zwar für die Archive weniger wichtig zu sein, sind aber Dinge, mit denen sich jeder Archivnutzer bei seinem Besuch auseinandersetzen muss.

Doch perfekten Service gibt es nirgendwo. Schon gar nicht, wenn sich Dinge in Veränderung befinden.

Ein Archiv, dass sich für die Belange seiner Nutzer interessiert, befindet sich auf einem guten Weg. Und häufig ist ein freundliches Lächeln des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin mehr wert als ein perfekter Service.

Der Autor ist Historiker, professioneller Ahnenforscher, Blogger und Gründer von Recherchedienst Thiele. Durch seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und selbständiger Rechercheur hat er in den letzten Jahren viel Erfahrung in in- und ausländischen Archiven sammeln können. Als Blogger und Berater will er Archive und Familiengeschichtsforscher enger zusammenbringen.

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