Aufgaben und Sachgebiete im Überblick
- Aktenregistratur
- Bibliothek
- Fotothek und -archiv
- Historisches Archiv
- Konzertdokumentation
- Mediathek
- Nachlässe und Sondersammlungen
- Pressedokumentation und -archiv
- Redaktion Gewandhaus-Magazin
Das historische Archiv
Bei einem Orchester, das sich auf eine über 275-jährige Geschichte beruft, sollte man zu Recht ein Archiv vermuten dürfen, dessen Anblick jedes Historikerherz höher schlagen ließe. Aber dieses Archiv gibt es nicht. Der naheliegende Verweis auf »Kriegsverluste« wäre jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn ein umfassendes Gewandhausarchiv hat nie existiert.
Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren Gewandhaus und Gewandhausorchester zwei eigenständige Institute. Sie entwickelten sich zwar aus einer gemeinsamen Wurzel, der Gründung des »Großen Concerts« im Jahre 1743, gingen dann aber verschiedene Wege. Die Gewandhaus-Konzertdirektion war Veranstalter der Konzerte im Gewandhaus; das Gewandhausorchester etablierte sich durch den Dienst in Theater, Konzert und den städtischen Hauptkirchen als Stadtorchester.
Die Gewandhaus-Konzertdirektion führte ihr Archiv, das Orchester führte sein Archiv. Dieses orchestereigene Archiv, körperlich angesiedelt im Leipziger Neuen Theater, verbrannte in dem 1943 von Bomben völlig zerstörten Haus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Stadt- und Gewandhausorchester zunächst dem städtischen Kulturamt unterstellt, bis es in den 1950er Jahren der neu gegründeten Institution »Gewandhaus zu Leipzig« zugeordnet wurde.
Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen der DDR durfte das Gewandhaus zu Leipzig als eine nachgeordnete städtische Einrichtung nur ein sogenanntes Verwaltungsarchiv im Sinne einer Zwischenregistratur führen. Alle Archivalien mussten an das übergeordnete Stadtarchiv abgeführt werden. So sind Anfang der 1960er Jahre große Teile des einstigen Direktionsarchivs an das Stadtarchiv abgegeben worden. Darunter befanden sich zahlreiche Briefe – beispielsweise von und an Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy – und vollständige Orchestermateriale, also jeweils Partituren samt Stimmensatz.
Im Stadtarchiv wurde entschieden, die Partituren der Musikbibliothek Leipzig zu übergeben, die Stimmen dagegen zu vernichten. Mit dieser Vernichtungsaktion ist eine der wichtigsten Quellen zur Erforschung von Interpretation und Aufführungspraxis in der Epoche der Romantik für immer verloren.
Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wurde 1991 das Gewandhausarchiv neu gegründet. Ein Kernstück des seitdem wiederaufgebauten historischen Archivs ist eine nahezu vollständige Sammlung der Programmzettel aller Gewandhauskonzerte ab dem frühen 19. Jahrhundert.
An die Stelle der verlorenen Primärquellen sind einige Publikationen getreten. In erster Linie handelt es sich dabei um drei zwischen 1881 und 1943 erschienene Abhandlungen zur Geschichte der Gewandhauskonzerte, die offensichtlich noch aus der Kenntnis sowohl des Direktions- als auch des Orchesterarchivs entstanden sind und Grundlage für Publikationen aus jüngerer Zeit waren (siehe unten).
Die Dokumentationstätigkeit des Gewandhausarchivs
Tägliche Presseauswertung aus Leipziger und ausgewählten überregionalen Zeitungen und Zeitschriften; statistische Aufbereitung der Konzerte des Gewandhausorchesters; Schlussredaktion der Konzertdokumentation in der elektronischen Fachanwendung »EVIS« … Das sind nur einige von mehreren Stichwörtern, mit denen die Dokumentationstätigkeit des Gewandhausarchivs umrissen werden könnte. Allgemein gesagt: Das Gewandhausarchiv will alle für die Arbeit des Gewandhauses tagesaktuell, mittel- und/oder langfristig wichtigen Informationen und Materialien aufbereiten und zur Verfügung stellen.
Elektronisch erfasst werden die Bestände des Gewandhausarchivs in der Fachanwendung »FAUST Professional«, die per Intranet allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gewandhauses für ihre Recherchen zur Verfügung steht.
Die Digitalisierung im Gewandhausarchiv
Die Sicherung der historischen, auf Tonbändern vorliegenden Konzertmitschnitte des Gewandhausorchesters war das erste Digitalisierungsprojekt im Gewandhausarchiv. Inzwischen ist ein digitales Archiv für alle elektronischen Dokumente aufgebaut worden.
Das Gewandhaus-Magazin
Das Gewandhaus-Magazin gibt es seit 1992. Es erscheint heute mit jährlich vier Ausgaben und wird in Kooperation mit dem Altenburger Verlag Klaus-Jürgen Kamprad herausgegeben. Im Mittelpunkt der redaktionellen Themen steht das Gewandhausorchester mit seinen drei Leipziger Hauptspielstätten Gewandhaus, Oper und Thomaskirche. Der Leiter des Gewandhausarchivs ist verantwortlicher Redakteur des Periodikums, das derzeit (Stand 2019) in einer Auflage von 9000 Exemplaren erscheint und im Buch- und Zeitschriftenhandel verkauft wird. Für alle Konzertabonnenten des Gewandhauses ist das Heft im Abonnement inkludiert.
Kontakt
Leiter des Gewandhausarchivs und verantwortlicher Redakteur des Gewandhaus-Magazins ist Claudius Böhm. Als Schriftgutbeauftragte des Gewandhauses fungiert Iris Türke, die damit für alle Fragen der Dokumentation, der Registratur und der analogen wie elektronischen Archivierung zuständig ist. Thomas Händel ist mit dem Schwerpunkt Audio-Digitalisierung betraut.
Telefon: 0341 1270-387
E-Mail: claudius.boehm@gewandhaus.de; iris.tuerke@gewandhaus.de; thomas.haendel@gewandhaus.de
Neuere Literatur zu Gewandhausorchester und Gewandhaus (Auswahl)
- Rudolf Skoda: Die Leipziger Gewandhausbauten. Konzertgebäude im internationalen Vergleich, Berlin 2001
- Hans-Rainer Jung: Das Gewandhausorchester – seine Mitglieder und seine Geschichte seit 1743. Mit Beiträgen zur Kultur- und Zeitgeschichte von Claudius Böhm, Leipzig 2006
- Claudius Böhm: Das Gewandhaus-Quartett und die Kammermusik am Leipziger Gewandhaus seit 1808, Altenburg 2008
- Claudius Böhm: Neue Chronik des Gewandhausorchesters. 1. Bd. 1743–1893, Leipzig/Altenburg 2018; 2. Bd. 1893–2018, Leipzig/Altenburg 2019
Claudius Böhm, Gewandhausarchiv