Offene Archive. Demokratie. Digitale Transformation

Archivwahrnehmung, Öffentlichkeitsarbeit
Schlaglichter auf die Grußworte zum 23. Sächsischen Archivtag

Grußworte sind eine manchmal belächelte Form der Rede. Dabei ist ein Grußwort – eine kurze Rede, die grüßend eine Zielgruppe direkt anspricht – ein guter Anlass, sich mit den Anliegen der Zielgruppe (hier: Archivarinnen und Archivare v. a. aus Sachsen) auseinanderzusetzen und eigene Impulse zu geben. Herrn Prof. Dr. Günther Schneider, Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium des Innern, gelang dies auf bemerkenswerte Weise. Einleitend rekurrierte er auf eigene berufliche Erfahrungen als Richter u. a. auf den Gebieten der Kriegsopferversorgung und der Überleitung des DDR-Rentenrechts. Dabei sei ihm eindrücklich bewusst geworden, wie wichtig die Arbeit der Archive sei. Es sei ihm daher auch ein persönliches Anliegen, einfach mal Danke zu sagen für das, was in den Archiven geleistet werde. Archive seien von besonderer und herausragender Bedeutung, wichtig für die Demokratie; sie stünden – gerade angesichts heutiger Herausforderungen – für die Arbeit an Tatsachen.

Schneider dankte angesichts der digitalen Herausforderungen besonders dem Sächsischen Staatsarchiv unter seiner Direktorin Dr. Andrea Wettmann für die gute Zusammenarbeit. Als Stichworte für die digitale Transformation im Freistaat Sachsen nannte er u. a. die Digitalstrategie, den Masterplan »Digitale Verwaltung Sachsen«, die IT-Sicherheit. Das Sächsische Staatsarchiv habe in den vergangenen beiden Jahren mit der Digitalisierung großer Mengen von Archivgut hervorragende Arbeit geleistet. Hinsichtlich der Sachmittel sei man gut aufgestellt, allerdings müsse [hier merkte die Berichterstatterin – dienstlich im Sächsischen Staatsarchiv tätig – besonders auf] die personelle Untersetzung noch generiert werden.

Einen bemerkenswerten Akzent setzte der Staatssekretär dann gegen Ende seines persönlichen und pointierten Grußwortes mit Blick auf die sächsischen Archive: Der Staat müsse hier auch Angebote an die kommunale Ebene unterbreiten. Als Beispiel nannte Schneider die Allianz Sichere Sächsische Kommunen (ASSKomm). Angesichts der mangelnden Archivberatung in Sachsen ist diese Akzentsetzung von großem Interesse auch für die Arbeit des Landesverbandes Sachsen im VdA.

Ulrich Hörning, Bürgermeister Allgemeine Verwaltung Stadt Leipzig, kam direkt vom zeitgleich in Leipzig tagenden Deutschen Anwaltstag und zog in seinem Grußwort den Bogen vom Motto des Anwaltstages „Rechtsstaat leben“ zu der Bedeutung von Archiven für transparente und nachvollziehbare Entscheidungen. Am Ende von Diktaturen stünden Aktenvernichtungen. [Tatsächlich war die Sicherung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR singulär. Erinnert sei an den Beitrag von Dagmar Hovestädt, BStU, auf dem Deutschen Archivtag 2018 zu Menschenrechts-Archiven, T. K.]. Hörning betonte in seinem Grußwort die heutigen positiven Möglichkeiten der automatisierten Anlage von Metadaten z. B. bei der digitalen Fotografie, wies aber auch auf die Gefahren elektronischer Manipulationsmöglichkeiten hin und erinnerte an Orwells Dystopie „1984“.

Dr. Andrea Wettmann, Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs, betonte in ihrem Grußwort die Schlüsselfunktion der Fachaufgabe „Erschließung“. Durch die Digitalisierung sei auch diese Aufgabe dem Wandel unterworfen, als Stichworte nannte sie die Erschließung von „digital born“-Unterlagen, die künftige Nutzung „virtueller Lesesäle“ und die Entstehung neuer Nutzergruppen. Demgegenüber steht, dass laut Archivstatistik des Bundesamtes für Statistik zu 90% des Archivguts der Staatsarchive des Bundes und der Länder Verzeichnungsinformationen vorliegen, im Gesamtdurchschnitt aber nur 30% auch online recherchiert werden können. Das Sächsische Staatsarchiv liege mit 98% (recherchierbar) bzw. 40% (online recherchierbar) über dem bundesweiten Durchschnitt. Trotzdem seien erhebliche Rückstände zu konstatieren, Gründe seien fehlendes Personal, schlechte Registraturdaten [Daten der abgebenden Stellen, die z. B. in Form elektronischer Abgabeverzeichnisse nachgenutzt werden können, eine angemessene Qualität der Daten vorausgesetzt, T. K.] sowie Rückstände aus DDR-Übernahmen.

Angesichts der Gesamtsituation sei es kein realistisches Ziel, alle Bestände voll zu erschließen. Vielmehr komme es darauf an, Bestände zu priorisieren, Leitbestände zu identifizieren und auch Arbeitsprozesse zu verändern. Hier warb Dr. Wettmann auch für die vermehrte Bildung von Archivverbünden zwischen kleinen Archiven.

Ralf Jacob begrüßte als Vorsitzender des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. die Anwesenden und betonte die hohe Motivation der Archivarinnen und Archivare, als Informationsdienstleister in Erscheinung zu treten. Der Rohstoff „Daten“ in den Archiven sei von unschätzbarem Wert, allerdings müsse man angesichts der Erschließungsrückstände auch von noch ungehobenen Schätzen sprechen. Abschließend lud Jacob zum 89. Deutschen Archivtag in Suhl ein (17. bis 20. September 2019), dessen Thema RECHTsicher – Archive und ihr rechtlicher Rahmen alle Bereiche archivischer Arbeit tangiere. [Anmeldungen zum Frühbucherrabatt sind noch bis zum 19. Juni 2019, 12:00 Uhr möglich, T. K.].

Offene Archive mit möglichst vielen online recherchierbaren Verzeichnungsinformationen, funktionierende Archive als wichtige Elemente im demokratischen Rechtsstaat, agile Archive als Akteure in der digitalen Transformation – das waren wichtige Akzente in den Grußworten zum 23. Sächsischen Archivtag unter dem Motto „Erschließung 2.0. Erwartungen.- Probleme.- Lösungen“.

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