Bericht zum Vortrag von Dr. Stefanie Jost, Bundesarchiv
Im Januar 2017 wurde im Bundesarchiv ein Veränderungsprozess eingeleitet, der die bisherigen Strukturen deutlich ändern soll und wird. Dieser Strategieprozess trägt den bezeichnenden Titel „Das Bundesarchiv im digitalen Wandel“.
Frau Dr. Stefanie Jost, Referatsleiterin des Referates BE 1 des Bundesarchivs, erläuterte in ihrem prägnanten Vortrag zunächst die erste Phase des Prozesses, in der in thematisch ausgerichteten Arbeitsgruppen je ein zentrales Handlungsfeld abteilungsübergreifend bearbeitet wurde. Auf Basis der von den Arbeitsgruppen vorgelegten Vorschläge folgte im März 2018 die Zusammenfassung durch ein internes Strategiepapier. In der noch laufenden Phase 2 werden nun Teilziele definiert und die Umsetzung geplant. Das aktuelle Fachmagazin „Forum“ des Bundesarchivs berichtet ausführlich zum Strategieprozess.
Anschließend stellte Dr. Jost den Prozess der „Zugänglichmachung on demand“ (ZoD) vor, welcher sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren soll. ZoD besteht demnach aus Digitalisierung, Bewertung und Erschließung on demand, also „auf Anforderung“.
Zu betrachten war der realistische Umgang mit Rückständen in der Bewertung und Erschließung, auch bei historischen Beständen, für deren Aufarbeitung etwa 540 Personenjahre allein für die Abteilung Deutsches Reich bis 1945 veranschlagt werden müssen. Eine utopische Aufgabe.
Somit ist, nach ZoD, eine tiefergehende Erschließung nicht mehr vorgesehen, lediglich Stammdaten werden aufgenommen. Von der „Vollerschließung“ muss Abstand genommen werden. Als Ausnahme von dieser Regelung sind Leitbestände der jeweiligen Epochen qualifiziert, also tief, zu erschließen.
Bei Nutzeranliegen werden auch Unterlagen zugänglich gemacht, die bislang unbearbeitet sind. Das Bundesarchiv öffnet sich damit konsequent seinen Kunden, mit denen verstärkt gesprochen werden soll. Ein Stichwort hierzu lautet „Do-it-yourself-Erschließung“: liefert der Nutzer ergänzende Erschließungsinformationen nach, können diese weiterverwendet werden. Somit ist der Nutzer nicht mehr nur „Endabnehmer“ eines Produktes, sondern wirkt an der Erstellung des Produktes aktiv mit bzw. regt dessen Erstellung überhaupt erst an. Geplant ist dazu eine Plattform zur Anmeldung von Wissen und Wünschen.
Ermöglicht werden soll diese Form der Zugänglichmachung durch strukturelle Änderungen und Zuordnungen im Bundesarchiv. Die reguläre Erschließung von Beständen bis 1945 bzw. 1990 (für SAPMO-Bestände) wird absehbar in den nächsten fünf Jahren beendet. Danach wird nur noch mittels „Erschließungsgruppen“ die einfache Verzeichnung in der Fläche angewandt. Folge der konsequenten flachen Erschließung wird Mehrarbeit beim Benutzer und Benutzerdienst sein.
Auch die Bewertung bereits übernommener, nicht bewerteter Unterlagen des Bundes (Zwischenarchiv) wird sich an den Nutzerinteressen orientieren und bestandsübergreifend vorgenommen. Hinsichtlich der Bewertung noch nicht übernommener Unterlagen werden aufgabenorientiert Bewertungsmodelle verwendet und Vorgaben für die Abgabe und die Metadaten an die abgebenden Stellen kommuniziert. Die Bewertung selbst ist allerdings nicht auf Externe delegierbar.
Ebenso wird die konsequente Bündelung der personenbezogenen Anfragenbeantwortung in einer Abteilung eine Neuerung sein.
Mit dem vorgestellten Strategieprozess strebt das Bundesarchiv eine Konzentration seiner Ressourcen und eine Dynamisierung an, deren Träger die Nutzer sind. Der Prozess ist noch im Fluss, für 2019 steht die zentrale Bedarfsermittlung an. Auf die konkrete Umsetzung sind sicher nicht nur die Mitarbeiterschaft des Bundesarchivs und die Nutzer, sondern auch viele Kolleginnen und Kollegen in anderen Archiven sehr gespannt und sehen weiteren Berichten erwartungsvoll entgegen.
Doreen Wustig
Sächsisches Staatsarchiv