„… nicht kostenlos (…), aber auch keinesfalls umsonst.“

Erschließung, Öffentlichkeitsarbeit, Personal
Vortrag von Björn Berghausen zum Thema „Außer Dienst – Ehrenamtsprojekte im Berliner Wirtschaftsarchiv“

„… nicht kostenlos (…), aber auch keinesfalls umsonst.“ Mit dieser Aussage kündigte Björn Berghausen bereits im Abstract eine Grundaussage seines Vortrages an.

Der kurzweilig gestaltete, hochinteressante Beitrag des seit 2010 als Geschäftsführer des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) tätigen Berghausen bot den Teilnehmern des 23. Sächsischen Archivtages zunächst einen Einblick in die noch recht junge Archivgeschichte: 2009 offiziell eröffnet, gingen der Gründung mehrere Jahre Arbeit durch einen 2004 gebildeten Förderverein voraus. Das BBWA hat heute einen Personalbestand von drei festen Mitarbeitern.

Ehrenamtliche Arbeit als unbezahlte Arbeit ist oftmals über Heimatvereine oder Traditionsvereine eng mit v. a. kleineren Archiven verbunden. Für das BBWA galt dies nach seiner Gründung nicht. Es galt somit, als aktueller Bedarf bzw. Möglichkeiten auftraten, mittels „Kaltakquise“ geeignete Personen zu erreichen.

Björn Berghausen bei seinem Vortrag, Foto: Doreen Wustig

Wann sollte man den Einsatz ehrenamtlicher Mitarbeiter in Betracht ziehen? Berghausen nennt hier die Punkte „fehlendes Personal“, „fehlendes Know-how“, „fehlendes Netzwerk“ und „fehlendes Werkzeug“. Für Archive stellt sich insbesondere auch die Frage, inwieweit potentielle Ehrenamtliche die alten Handschriften lesen können. Zur Zielgruppe der Archive zählen somit Personen mit Zeit, Know-how, finanzieller Unabhängigkeit und Arbeitserfahrung. Geradezu zwangsläufig, so Berghausen, lande man damit bei Senioren. Diese sollten jedoch Mobilität aufweisen und mit Informationstechnik umgehen können.

Bei der Auswahl der Projekte, dem „Ehrenamtsmanagement“ seitens des Archivars, stehen die Motivation, das Interesse und die Aufmerksamkeit im besonderen Fokus. Dies muss man sich klar machen: Ehrenamtliche unterstützen gern, erwarten aber auch eine gewisse Gegenleistung: Anerkennung.

Ausführlich berichtete Berghausen über das erste Ehrenamtsprojekt des BBWA: 2013 übernahm das Archiv den Nachlass des Berliner Arztes Alfred Abenhausen, welcher zwischen 1900 und 1907 als Bordarzt auf den sieben Weltmeeren unterwegs war und in seiner schriftlichen Überlieferung das Bordleben ausführlich darstellte. Für eine Transkription des umfangreichen Materials fehlten dem BBWA schlichtweg die Mittel. Die Anwerbung der Ehrenamtlichen erfolgte u. a. über den Förderverein und die Presse. Insbesondere die Boulevard-Presse erwies sich mit ansprechenden, wenn nicht gar reißerischen Beiträgen, als interessantes Medium der Akquise. Nach einem solchen Beitrag meldeten sich prompt 75 Personen zur Mitarbeit. Die Auswahl erfolgte schließlich auch anhand der oftmals unaufgefordert mitgelieferten Transkriptionsproben. Die Erwartungen der Ehrenamtlichen lagen bei Spaß an der Arbeit, einer sinnvollen Tätigkeit, bei Anerkennung und neuen Erfahrungen. Im Projekt fanden mehrere Transkriptionsrunden statt, in deren Ergebnis die Mitarbeiter gedanklich weit reisten und (nebenbei) durch ihre Transkriptionen die Texte Abenhausens auch für nicht Schriftkundige erlebbar machten. Nach dem sehr zügigen Abschluss des Projektes fand neben einer Publikationsübergabe an die beteiligten Ehrenamtlichen eine Dankesveranstaltung statt, mit der ihr Wirken nochmals hervorgehoben wurde.

Berghausen riss weitere Ehrenamtsprojekte des BBWA an: so wurde mit Hilfe von Spezialisten die umfangreiche Fotosammlung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller e. V. (VBKI) bearbeitet, mit Schülern und Auszubildenden die formale und inhaltliche Erschließung der Briefkopfsammlung und als Crowdsourcingprojekt die Bearbeitung des Philipp-Holzmann-Bildarchivs. Im letztgenannten Projekt sollen bis 2020 alle Datensätze online über die Deutsche Digitale Bibliothek recherchierbar sein.

Nach einem kurzen Verweis auf die ebenfalls möglich Nutzung von Hackathons, wie beispielsweise bei der Verschlagwortung der historischen Fahrkartensammlung des Deutschen Technikmuseums geschehen („Fritz reist um die Welt“), zog Berghausen ein Fazit: Die Öffentlichkeitsarbeit ist für ein Archiv ohne Anbietungspflicht elementar. Selbst Artikel in Boulevardzeitungen können hierbei hilfreich sein, da hierdurch Aufmerksamkeit auch bei Funk und Fernsehen geweckt wird. Die Außen-Wahrnehmung des BBWA erweiterte sich durch die Ehrenamtsprojekte auf Qualitätsmedien, wodurch sich auch die Anwerbung neuer Bestände und neuer Ehrenamtlicher erleichterte.

Was „kosten“ nun Ehrenamtsprojekte? Vor allem einen Arbeitsplatz mit Sachkosten und die Motivation der ehrenamtlichen Mitarbeiter! Notwendig ist außerdem die Kontrolle der geleisteten Arbeit, bevor die Daten der Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

Aus Sicht Berghausens lohnen sich Ehrenamtsprojekte, wenn man richtig plant: der Abbau von Verzeichnungsrückständen ist möglich. Das BBWA konnte zudem anhand der Projekte öffentliche Aufmerksamkeit generieren und Netzwerke ausbauen.

Doreen Wustig
Sächsisches Staatsarchiv

Weiterführende Hinweise zur Arbeit mit Ehrenamtlichen finden Sie u. a. hier:

Ein Gedanke zu „„… nicht kostenlos (…), aber auch keinesfalls umsonst.“

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